Schutzengelaltärchen

12.01.2022

Eher klein und unauffällig hängt im Salon des Richard Wagner Museums ein Altärchen, das einen Schutzengel auf vergoldetem Hintergrund und Passepartout aus dunkelrotem Samt zeigt. Das aufklappbare Triptychon aus Ebenholz, das sich durch seine Ornamentik im Stil der Neorenaissance auszeichnet, stammt von einem unbekannten Künstler und wurde vermutlich 1850 angefertigt. Es war ein Geschenk des Musikers und Abbé Franz Liszt an Cosima und Richard Wagner zur Hochzeit. Eine Geste der Versöhnung, denn Liszt war von der Beziehung seiner Tochter zu Wagner alles andere als begeistert – und hatte den Kontakt daher für einige Zeit abgebrochen.

Was war geschehen? 1861 zog Liszt nach Rom. Als er drei Jahre später nach Deutschland reiste, traf ihn der Schlag: Er musste erfahren, dass seine Tochter Cosima, die seit 1857 mit dem Dirigenten und Liszt-Schüler Hans von Bülow verheiratet war, ein Verhältnis mit seinem langjährigen Freund und Altersgenossen Wagner eingegangen war. Liszt versuchte daraufhin, die Ehe mit Bülow zu retten – was misslang. 1867 reiste er heimlich nach Tribschen, um sich mit Wagner auszusprechen. Dabei soll er die gerade vollendete «Meistersinger»-Partitur vom Blatt gespielt haben und so begeistert gewesen sein, dass die alte Freundschaft wieder kurz auflebte. Als Cosima jedoch 1868 mit ihren vier Kindern (zwei Töchter aus der Ehe mit Bülow und zwei aus der Affäre mit Wagner) nach Tribschen zog, brach Liszt den Kontakt zu seiner «terrible fille» und Wagner ab. Erst nach der Hochzeit von Cosima und Richard Wagner kam es zur vorsichtigen Annäherung. Das Symbol dafür ist der Schutzengel-Altar. In den 1870er-Jahren, als Wagner in Bayreuth lebte, kam es zur Versöhnung.

Bei dem Objekt handelt es sich um eine Leihgabe aus der Sammlung Köpp-Stocker an das Richard Wagner Museum.

Text: Franziska Gallusser

Schutzengel-Altärchen, Um 1850
Hausaltar: aufklappbares Ebenholz-Triptychon mit Ornamentik. Künstler unbekannt, um 1850, 50 × 35 cm, Richard Wagner Museum, Leihgabe aus der Sammlung Köpp-Stocker