Pierre Auguste Renoir (1841-1919) 
04.08.2021

Ganz im Stillen lässt sich Auguste Renoirs hochformatiges, zartes Pastell eines weiblichen Rückenaktes im Museum Sammlung Rosengart entdecken. Beim Betrachten der grazilen Schönen entsteht der Eindruck, als stünde man hinter ihr und würde ihr einen Moment lang heimlich aus der Ferne zuschauen. Auf einem weissen, drapierten Tuch sitzend kämmt sie sich ihre langen, dichten, braunen Haare. Die natürlich anmutende Badende hat so gar nichts Artifizielles an sich. Das Rückgrat und die Schulterblätter sind durch Weisshöhungen erkennbar. Ihr heller Körper hebt sich sehr gut von dem nicht weiter definierten Hintergrund ab. Man spürt hier Renoirs Talent für den Hautton (Inkarnat) seiner Figuren, das auf seine Tätigkeit als Porzellanmaler in einer renommierten Manufaktur in Paris zurückzuführen ist. Charakteristisch für den in dieser Zeit noch in der impressionistischen Technik arbeitenden Maler und Zeichner sind die nicht klar umrissenen Konturen. Seit Beginn seiner Karriere zählte der weibliche Akt zu seinem bevorzugten Motiv. In intensivem Studium dieses seit der Antike etablierten Sujets der weiblichen Badenden liess er sich von den griechischen und römischen Skulpturen, den Darstellungen der Alten Meister, wie Giorgione, Paolo Veronese, Peter Paul Rubens oder François Boucher, im Louvre inspirieren. Es bleibt in der Schwebe, ob der Akt sich in einem Boudoir, so wie es Edgar Degas häufig in seinen zeitgleichen Interieurs dargestellt hatte, oder in einer mediterranen Landschaft befindet. Man könnte es als eine paradiesische Einheit des Menschen mit der Natur lesen. Die Verbindung von Akt und Landschaft gehört seit jeher zu den beliebten Themen, mit denen sich die Künstler auseinandersetzten. Dies trifft auch auf Paul Cézanne zu, dessen „Badende“ ebenfalls in der Sammlung Rosengart bewundert werden können. Zumindest durch die Bilder der beiden französischen Künstler entwickelt man in den diesjährigen unsommerlichen August-Tagen ein Gefühl für Sommer.

Autor: Kerstin Bitar, Museum Sammlung Rosengart.
Abgebildet in: Rosengart, Angela (Hrsg.): Sammlung Rosengart. München 2002, S. 32.