Roee Rosen The Dust Channel

Trouvaillen aus den Luzerner Museen, Kunstmuseum Luzern

14.12.2022

Erwacht aus einem staubigen Traum, der den unweiten des Kosmos ähnlichsieht, schauen wir einem hübschen Paar dabei zu, wie es die morgendliche Routine zusammen angeht: aufstehen, waschen, Zähne putzen, frühstücken, arbeiten. Begleitet wird die eigentlich unspektakuläre Szene von einem Streichorchester, das im Film anwesend ist und die Musik in Bedienstetenkleidung spielt. Die Tischdecken und Hemden in diesem bürgerlichen Haushalt mit imposantem Bücherregal sind weiss, fast schon penetrant. Das Paar stimmt zu einem Opernlibretto an und die Kamera fokussiert sprunghaft auf die Achselbehaarung der Frau, Zitrone, Rasierer, dann ein Auge. Als Hommage an Louis Buñuels berühmte Szene im assoziativ erzählten, surrealistischen Stummfilm «Un Chien Andalou» (1929), in dem das Auge der Protagonistin mit einem scharfen Messer durchtrennt wird, lässt Roee Rosen das Gelb eines Spiegeleis mit einem Messer auslaufen. Anders als bei Buñuel bleibt Rosen aber nicht in der Sphäre des Unbewussten, denn plötzlich öffnet sich der Fokus und die Realität bricht herein: Draussen vor dem Fenster breitet sich vor unseren Augen die israelische Wüste aus. Mittendrin das Camp Holot für politische Gefangene und Geflüchtete. Doch was wird hier eigentlich besungen? Nichts Geringeres als der DYSON DC07, ein Staubsauger, der durch unwiderstehliche Saugkraft und ansprechendes Design zum Fetisch aller Reinheitsbedürftigen avanciert. Dieser Staubsauger schafft es nicht nur auf exzellente Weise Unrat, fernzuhalten, auch geht von ihm eine starke sexuelle Anziehungskraft aus. Er wird gestreichelt, liebkost, ja auch im Bett geritten. Mit dieser überspitzten Darstellung verweist Roee Rosen auf die Obsessionen einer Gesellschaft, in der sich Xenophobie im absoluten Reinheitsideal widerspiegelt. Denn Überall ist Schmutz der beseitig werden will: auf Fliesen, Zähnen, in der Kloschüssel, mitten unter uns. Während bei Louis Buñuel Ameisen aus einem Loch in der Hand herauskriechen, trieft in Roee Rosens Film brauner Dreck aus der Handfläche auf ein Bündel Banknoten. Das Motto des Staubsaugerherstellers, «für die gründliche Reinigung im gesamten Zuhause und darüber hinaus», bekommt in Roee Rosens Film einen überaus zynischen und nachdenklichen Unterton.

Text: Beni Muhl, Kunstmuseum Luzern

Roee Rosen The Dust Channel, Kunstmuseum Luzern, 2016
Roee Rosen, «The Dust Channel». Videostill, © the artist, Courtesy of the artist and Rosenfeld Gallery, Tel Aviv