Gewickelt, genäht und zugeschnürt: Eva Zwimpfers Objekte
Trouvaillen aus den Luzerner Museen, Kunstmuseum Luzern
06.04.2022
Ein Stiletto mit einem wulstigen Strumpf, aus dem rote Wolle herausquillt, eine Engelsfigur, mit Nadeln präpariert und in ein aufgeschnittenes Metallrohr eingebettet oder eine Plastilinhand mit Wollhandschuh, der teilweise von Motten zerfressen ist. Eva Zwimpfers eigenartige Objekte, von denen eine Auswahl in der aktuellen Sammlungsausstellung «Durch Raum und Zeit. Künstlerische Universen aus der Sammlung» präsentiert werden, haben oft etwas Martialisches an sich. Sie lösen beim Publikum Schaudern und vielleicht sogar Ekel aus, sind aber oft auch witzig. Der «Schuh» ist nicht nur ein Schuh, sondern ein Stöckelschuh mit bestrumpften Damenfuss, der durch die rötliche Wolle beim Ansatz wie vom Rest des Körpers abgetrennt scheint. Automatisch stellt sich das Bild einer beleibteren Frau ein, deren Fuss sich in einen viel zu engen Schuh zwängt, mit dem sie sich nur schwerlich fortbewegen kann. An der «Mottenarbeit», so der Titel der Plastilinhand mit Handschuh, ist eine Aufhängung aus Draht angebracht. Wurde die Hand für die Motten aufgehängt, damit sie sich genüsslich an der Wolle sattfressen können?
Die Luzerner Künstlerin Eva Zwimpfer ist 1926 geboren. Obwohl sie auch in Öl und mit Aquarell malt, macht sie hauptsächlich Objektkunst. Der Haushalt, lange Zeit die Domäne der Frau, dient ihr als Inspiration für ihre Assemblagen aus einfachen Materialien und Gegenständen. Eva Zwimpfer wickelt Material ein, befestigt, bestickt oder schnürt es zusammen. Dabei stellt sich die Assoziation mit Schmerz oder Zwang ein, aber auch die des wohlig Eingebettet- oder Aufgehobenseins. Wie beim erwähnten Engelskind, das vor kurzem aus einer privaten Sammlung als Schenkung in die Sammlung des Kunstmuseums Luzern überging, ist Spiritualität und Religion ein wiederkehrendes Thema. Dabei bricht Eva Zwimpfer durch die Verwendung von einfachen und alltäglichen Materialien ganz bewusst mit dem Prunk der Kirche, der durch hochwertige Materialien und kunstvolles Handwerk ein Gefühl der Erhabenheit auslösen will. Eva Zwimpfers Arbeiten erinnern zuweilen an die surrealistischen Objekte von Meret Oppenheim und teilen mit diesen die Themen des Unbewussten, der Assoziation und des Traums. Dabei ist Eva Zwimpfers subtiler Schalk gepaart mit einer tieferliegenden Schicht Ernsthaftigkeit ganz ihr eigen.
Beni Muhl, Kunstmuseum Luzern
Fotos: Marc Latzel
Gewickelt, genäht und zugeschnürt: Eva Zwimpfers Objekte, «Schuh», 1995, Watte, Wolle, 30 x 25 x 10 cm, Courtesy the artist