Eberhard Havekost 4 Kabinen Kunstmus. Der Mensch und die Natur
Trouvaillen aus den Luzerner Museen, Kunstmuseum Luzern
17.06.2020
Vier Balkone in ein einem nüchternen Wohnblock, wie es ihn in jeder modernen Grossstadt geben könnte, eine spärliche, uniform wirkende Begrünung in den Balkonkistchen und ein wolkenloser Himmel, der sich in den Fenstern spiegelt – mehr gibt es auf Eberhard Havekosts Gemälde 4 Kabinen nicht zu sehen. Die einzige Überraschung bietet der orangefarbene Sonnenstoren, der sich im Fenster oben links spiegelt und durch die Verwendung einer Komplementärfarbe die visuelle Monotonie durchbricht. Das Gemälde ist menschenleer. Die Fenster lassen keinen Blick ins Innere der Wohnungen zu; sie sind blind. Wir können uns nur vorstellen, was die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses gerade tun oder wie sie ihre Wohnung eingerichtet haben. Der Balkon als Nahtstelle zwischen innen und aussen, zwischen Anonymität und Öffentlichkeit wurde uns durch die Coronakrise wieder ins Bewusstsein gerufen. Man traf sich nicht mehr in der Bar oder dem Restaurant, sondern – aus sicherer Distanz – auf dem Balkon, klatschte einander zu und schwatzte seit langer Zeit wieder einmal mit den Nachbarn. Die sonst eher unspektakulären Balkone blühten regelrecht auf und wurden zur Bühne bürgerlichen Lebens oder zur Plattform für distanzierte Geburtstagsfeiern. Havekost zeichnet ein anderes, surreales Bild dieser halböffentlichen Räume. Seine Balkone sind steril und unpersönlich. Das Gemälde gehört zu einer Werkgruppe mit diversen Ansichten von Wohnhausfassaden und Wohnwagen, die der Künstler «Kabinen» nennt und die er von Fotos oder Zeitschriften in die Malerei überträgt. Der Künstler sagt über seine Bilder: «Ich male, was ich nicht sehe». Der voyeuristische Blick auf die Häuserfront offenbart also keine Geheimnisse oder Geschichten über dessen Bewohnerinnen und Bewohner. Das Betrachten des Bildes wird viel mehr zu einem Spekulieren über etwas, das wir nicht sehen. Bevor wir uns womöglich bald wieder in unsere Kabinen zurückziehen, lohnt sich der Blick auf dieses faszinierende Bild.
Text: Beni Muhl, Kunstmuseum Luzern
![](https://museenluzern.ch/wp-content/uploads/2024/06/t_ku_4kabinen.jpg)
Eberhard Havekost:
4 Kabinen, WD 98, 1998
Öl auf Leinwand 130 × 183 cm