Für weichen Flachs und gegen das hartnäckige «Toggeli»
Trouvaillen aus den Luzerner Museen, Museum Luzern
27.10.2022
«Ist es ein Nagelbrett?» fragte die Bewohnerin eines Luzerner Altersheims. Keine ihrer Mitbewohnerinnen und Mitbewohner wusste, was ein Werghechel ist. Vom Toggeli hatten hingegen die meisten schon gehört. Aber der Reihe nach: Was soll ein Werghechel im Altersheim? Und was macht ihn zur Trouvaille? Der Werghechel diente bis ins beginnende 20. Jahrhundert zur Bearbeitung von Flachs. Vor dem Hecheln muss man den Flachs schneiden, trocknen, riffeln, rotten, rösten, vorbrechen und brechen. Beim Hecheln wird er gewissermassen gekämmt, wobei der «Abwerch» – die kürzeren holzigen Faserteile – von den langen Fasern getrennt wird. Nach dem Hecheln folgt das Spinnen, Spulen und Weben des Leinen. Hechel gehörten zur Ausstattung vieler Bauernhöfe, wo aus eigenem Flachs mitunter die Aussteuern der Töchter gefertigt wurden. Alltägliche Gegenstände wurden in früheren Jahrhunderten auch zur Abwehr von Unheil verwendet – so auch der Hechel. In der Zentralschweiz war der Glaube an das «Toggeli» verbreitet. Das Nachtgespenst setzt sich den Schlafenden auf die Brust und raubt ihnen den Atem. Legt man sich einen Hechel auf die Brust, so soll sich das Toggeli darin verfangen. Mit unserem Besuch im Altersheim wollten wir im Rahmen eines Erzählcafés herausfinden, ob das Wissen um diesen Volksglauben noch vorhanden ist. Diese Vorstellung war den Seniorinnen und Senioren fremd. Dafür waren sie angeregt, einige Geschichten und Erfahrungen mit anderen persönlichen Schutzobjekten mit uns zu teilen. Heute ist das Hecheln nur noch im Familiennamen Hächler oder im Ausdruck «jemanden durchhecheln» lebendig. Der Werghechel ist eine Trouvaille, weil das in Vergessenheit geratene Werkzeug von den Seniorinnen und Senioren im Altersheim und von den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung «Eroberung der Nacht» im Historischen Museum wiederentdeckt werden kann.
Beatrice Tobler, Historisches Museum Luzern
Foto: Karin Blum
Für weichen Flachs und gegen das hartnäckige «Toggeli», (undatiert)
Eine Seniorin in einem Luzerner Altersheim betastet vorsichtig den Werghechel aus der Sammlung des Historischen Museums