Sozialisierte Kraftwerke

Hans Erni:

Trouvaillen aus den Luzerner Museen, Hans Erni Museum
14.10.2020

«Die moderne Turbine, Symbol des Maschinenzeitalters und zugleich Symbol dessen, dass der Mensch die Naturkräfte planmässig nutzen kann, überragt den tätigen Menschen, der sich in einer neuen, lebendigen Gemeinschaft zu formieren beginnt. Der Wille Einzelner, immer persönlich geartet, vermag durch Zusammenschluss einen neuen Gesamtwillen hervorzubringen». So schreibt Konrad Farner (1903-1974), marxistischer Kunsthistoriker und Mentor des jungen Hans Erni, in einer Wegleitung zu der von ihm konzipierten Ausstellung «Der Weg der Schweiz 1748-1848-1948». Die damals sehr kontrovers diskutierte Schau wird von Februar bis April 1948 im Zürcher Helmhaus gezeigt, und Hans Erni schafft dafür ein monumentales Wandbild mit dem Titel Sinnbild neuer Gemeinschaft, das von der technischen Zeichnung einer Turbine und einer sich wie zum Rundtanz vereinenden Gruppe von Männern beherrscht wird. Die visuell einprägsame Kombination hat der Künstler schon in seinem drei Jahre zuvor entstandenen, wesentlich kleineren Gemälde erprobt. Hier stehen beide Motive vor einem abstrakt erscheinenden, weiss-grauen Hintergrund, der sich im unteren Teil des Bildes als Darstellung fliessenden Wassers entpuppt, das hart am unteren Bildrand aufschäumend auftrifft. Ganz im Sinne der Fortschrittsidee, dass der Mensch sich die Naturgewalten unterwerfen und zunutze machen solle, veranschaulicht Erni mit der Kombination von Element, Kaplan-Turbine und menschlicher Gemeinschaft die Nutzbarmachung des Wassers zur Energieerzeugung und die Kollektivierung bestehender Anlagen zum Wohle der Gemeinschaft. Folgerichtig erscheint das Bild im Mai 1945 auf dem Titelblatt des Bulletins der Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion – eine Verbindung, die dem Künstler in der aufgeheizten Stimmung der unmittelbaren Nachkriegszeit die Bannung durch die offizielle Schweiz eintragen sollte.

Text: Heinz Stahlhut, Hans Erni Museum

Hans Erni:
Das sozialisierte Kraftwerk, 1945
Tempera auf Pavatex, 41 × 34 cm Hans Erni-Stiftung, Luzern