Junge Mutter
Hans Erni (1909-2015) «Junge Mutter»
Trouvaillen aus den Luzerner Museen, Hans Erni Museum
22.12.2021
1943 erscheint bei der Zürcher Büchergilde Gutenberg das Buch «Die menschliche Arbeit durch die Jahrhunderte. Probleme der Arbeiterorganisation, Probleme der genossenschaftlichen Organisation» von Guglielmo Carnevascini und Jakob Bührer. Die Illustrationen zur deutschen Ausgabe der zentralen Schrift des sozialistischen Tessiner Politikers und Antifaschisten schuf Hans Erni, durch Vermittlung von Konrad Farner. In den farblich reduzierten und ausgesprochen zeichnerischen Schautafeln schildert der Künstler entscheidende Stufen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung: die Epoche der Jäger und Sammler in der Urzeit oder die wissenschaftlichen und geographischen Entdeckungen, die im Zeitalter der Renaissance zu enormen Umwälzungen führten. Die die Moderne repräsentierende Darstellung Die neue Zeit stellt Schnittzeichnungen von Turbinen und Motoren einzelne Gruppen von nackten, männlichen und weiblichen Figuren gegenüber, die sich in liebevoller Aufmerksamkeit ihren Kindern zuwenden. So entwirft Erni die utopische Vision einer Gesellschaft, welche dank Mechanisierung und Industrialisierung von der Last der Arbeit befreit ist und sich auf die Pflege und Bildung ihres Nachwuchses konzentrieren kann. In der Folgezeit entstehen zahlreiche Gemälde eigenen Rechts, die – noch bevor Erni und seine erste Frau Gertrud Bohnert selbst Eltern werden – das Ideal der Kleinfamilie als Kern einer funktionierenden Gesellschaft entwerfen. In Junge Mutter gelingt es dem Künstler, die innige Zuwendung dadurch auch formal zu vermitteln, dass er die Figur der stillenden Mutter mit ihrem Kind in eine Kreisform einschreibt, die beide zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen lässt.
Text: Heinz Stahlhut
Bildlegende: © Hans Erni-Stiftung, Luzern
© Foto: Andri Stadler, Luzern
Hans Erni (1909-2015)
«Junge Mutter», 1943
Tempera auf Pavatex, 28 × 26 cm Hans Erni-Stiftung, Luzern